(Gastbeitrag von Marc Stippich, Pfarrer in Steinenbronn)
Beeindruckend ragt der Turm der zerstörten Kathedrale von St. Andrews aus dem
Kirchhof empor in den schottischen Himmel. Für manche ist hier ein geistlicher Ort
der Einkehr und Ruhe. Andere packt eher die Unruhe, wenn sie mitbekommen,
dass die Kathedrale im Kampf der Protestanten gegen die Katholiken zerstört
wurde. Die Konfessionskriege als Folge der Reformation vor 500 Jahren sind ein
dunkles Kapitel in der Geschichte der westlichen Kirche.
Was ist damals geschehen: Nach einer reißerischen Predigt zog John Knox, der
Reformator der Schotten, im Jahr 1560 mit seinem protestantischen Mob in die
katholische Kathedrale und zerstörte Heiligenbilder, Fenster und das gesamte
Inventar. Die Mönche flohen, die Kathedrale verfiel.
John Knox hatte in St. Andrews von der evangelischen Freiheit der Christen
gepredigt. Aber er übersah, dass in Jesu Evangelium immer Freiheit und Liebe
zusammengehören. So hat es auch Luther betont in seiner Schrift „Von der Freiheit
eines Christenmenschen“.
Ich bin letztes Jahr im Juni nach Schottland gereist auf den Spuren der iroschottischen Mönche. Die keltische Kirche, von ihnen gegründet, versuchte anders
als John Knox den Leuten nicht etwas aufzuzwingen, sondern ihre Herzen zu
gewinnen. Patrick, Gründer der keltischen Kirche in Irland, war ein befreiter Sklave,
der der Gewalt abgeschworen hatte. Columba, Klostergründer auf der schottischen
Insel Iona, war ein aus Irland verbannter Mönch. Von Iona aus zogen Gruppen von
Mönchen nach Schottland und England. Sie reisten nicht hoch zu Ross, sondern
gingen zu Fuß, um nahe bei den Menschen zu sein. Die keltischen Christen heilten,
hörten, vermittelten mehr als zu kämpfen und zu proklamieren.
Leider ist ihre Kirche nach einer etwa 300-jährigen Blütezeit in Kriegswirren
untergegangen. Aber ihre Form den Glauben zu leben ging nie ganz unter und
erwacht in unseren Tagen zu neuem Leben, z.B. durch die Verbreitung der irischen
Segenssprüche. Ihre Botschaft: Vermeidet es Lärm und Unruhe zu erzeugen,
sondern lebt den Glauben nach der Maxime: In der Ruhe liegt die Kraft.